Sandeep Bhagwati

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Geb. 1963 in Bombay/Indien. Lebt seit 1968 in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Studium am Mozarteum Salzburg und der Musikhochschule München (Komposition bei Wilhelm Killmayer und Hans Jürgen von Bose). Intensive Auseinandersetzung mit ästhetischen und naturwissenschaftlichen Einflüssen auf das Komponieren. 1990/91 künstlerischer Leiter der Konzertreihe Kammer-Musik-Utopien, seit 1991 künstlerischer Leiter und Organisator des Festivals A*DEvantgarde in München, das vorwiegend Musik der Generation der 20- bis 40-jährigen vorstellt. Zur Zeit Arbeit an innovativen Formen des Musiktheaters, auch im Bereich der Video- und Computerperformance. Lebt als freier Komponist in München. Zahlreiche Preise und Stipendien, u. a. Förderstipendien der Landeshauptstadt München und der Ernst-von-Siemens-Stiftung. 1994 Kompositionsauftrag der Bayerischen Staatsoper für "Menschen Ordnung Menschen". Werke (Auswahl): Tag. Sinfonie für Soli, Chor und großes Orchester (1987-93), Variations für Streichquartett (1991), Collages für Kammerensemble (1991), Exterritorial I-III für verschiedene Kammerbesetzungen (1993), Quênâh. Szenen einer Katastrophe. Musiktheater für 7 Sänger a capella (1994), Menschen Ordnung Menschen. Musiktheater (1992-95)



Das innere Ohr
Internationales Festival zeitgenössischer Musikperformance
Linz, Offenes Kulturhaus, 2. - 4. 3. 1995


MIND THE GAPS

Performance für blinde Sängerin, Sprecher, Bewegungsmelder und Computer-Installation

4. 3. 1995, Raum 307, 21 h

Gerlinde Sämann Sopran Sandeep Bhagwati Sprecher, Komposition, Regie Klaus Hollinetz Computerprogramm & Klangregie

Das uns eingeborene Labyrinth ist das Gehirn.

MIND THE GAPS ist zum einen eine symbolische Repräsentation der Reizstrukturen des Gehirns in der Struktur von Installation und Musik und gleichzeitig ein merkwürdiges Musiktheater, in dem das Publikum wesentlich am Klangereignis beteiligt ist.

Beides hängt miteinander zusammen: Wenn der Beobachter das Beobachtete verändert, verändert das Beobachtete auch ihn. Die labyrinthische Art und Weise wie Zuhörer in einem Konzert verändert werden und ihrerseits mittels der von ihnen erzeugten und mitgebrachten Atmosphäre die Art der Interpretation subtil beeinflussen, hat mich schon immer fasziniert.

MIND THE GAPS stilisiert dieses Phänomen, indem es dieses vergrößert: die Zuschauer verändern nicht nur subtil die Interpretation, sondern die gesamte Musik. Sie zwingen die Sängerin zur direkten Reaktion, indem sie absichtslos die akustische Umwelt radikal verändern. Die Sängerin wiederum verändert das Publikum: durch ihre Bewegungen veranlaßt sie die Zuschauer zum Positionswechsel - und damit zum Auslösen neuer Klangereignisse.

Auf diese Weise spiegeln alle Beteiligten alleine und in ihrer Gesamtheit das, was just in ihren eigenen Köpfen vorgeht: Die Interpreten hören Musik, reagieren darauf mit eigener Musik und Bewegung, die Zuschauer hören Musik und reagieren darauf mit innerlicher und äußerlicher Bewegung - und rufen so eine andere Musik hervor, die wiederum in ihre Köpfe eingeht und eine Reaktion hervorruft etc.

Diese labyrinthisch-rekursive Schleife ist sozusagen die "Handlung" dieser "Oper". Die "Hauptrolle" ist gewissermaßen die Summe aller Menschen im Raum - und ihre unwillkürliche Interaktion, ihr unwissendes Mitwirken, ihr beobachtendes Teilnehmen.

(Sandeep Bhagwati)

aus dem Texten zu MIND THE GAPS:

Man kann davon ausgehen, daß die akustische Information auch im tiefsten Schlafzustand bis zur Gehirnrinde vordringt, dort aber nicht weiterverarbeitet werden kann.

Das Erleben von Musik wird heute allgemein als Leistung des menschlichen Geistes angesehen und ist geprägt von der Fähigkeit, sich ein inneres Klangbild zu schaffen und daran sein Denken zu orientieren.

So wie ein von Geburt Blinder niemals erfahren kann, was Farbe ist, wird ein von Geburt Tauber Musik nicht erleben können.

Interessant ist die Frage, ob die Verarbeitung von Musik im menschlichen Gehirn ihrer Natur nach der Sprachverarbeitung vergleichbar ist.

(aus: Eduard David: Musikwahrnehmung und Hirnstrombild. in: Musik Gehirn Spiel, Basel 1989, S. 91-102)

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