KLANG ... ZEIT

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Angst vor dem Neuen, Fremden soll überwunden werden

,,KlangArten" Präsentation moderner Musik in Wien


Mehr oder minder gelungene Projektversuche, abseits vom eingefahrenen Konzertbetieb die Distanz zwischen Komponisten, Interpreten und Zuhörern zu vermindern, gibt es zwar viel zu wenig, aber immer wieder. Der Gruppe KlangArten", die dem Alter der beteiligten Interpreten und Komponisten nach fast durchwegs die Kriterien eines Unter-23-Teams" erfüllt, ist ein derartiger Versuch schon beim ersten, augen- und ohrenfällig wohlvorbereiteten Abend, am Donnerstag unter dem Motto Klang ... Zeit" im Wiener Museum Moderner Kunst in erstaunlicher und mustergülti ger Weise gelungen. Da gab es einmal ein ausführliches und ansprechend gestaltetes Programmheft (eigentlich eine Programmzeitschrift) mit Textcollagen, faksimilierten Partiturseiten, Originalbeiträgen der Komponisten und Kommentaren, die auf je verschiedene Weise sprachliche Zugänge zu den gespielten Kompositionen boten, aber immer versuchten, durch sachliche Informationen zum Verständis beizutragen, statt zusätzliche Verwirrung zu stiften. Die durchdachte Programmzustellung: die Arriviertes von Charles Ives bis Steve Reich mit Werken junger; zeitgenössischer Komponisten verband, ist ebenso zu loben, wie die kreative Ausnutzung der räumlichen Möglichkeiten des Palais Liechtenstein. Der knappe drei Stunden dauernde reibungslose Ablauf ohne Umbaupausen ist zu guter Letzt auch als eine im Organisatorischen wie Konzeptiven beachtliche Leistung zu bezeichnen.

Klanginstallationen von Steve Reich im Eingangsfoyer und von Mathias Fuchs im Treppenhaus bildeten den akustischen Vorhang" vor dem Hauptereignis im Barocksaal, das durch die Aufführung der beiden (fast identischen) Fassungen von Charles Ives' Unanswered Question" umrahmt wurde, einem 1906 komponierten Schlüsselwerk der Musik des 20. Jahrhunderts: Über unbewegten, kosmischen Streicherharmonien intoniert eine einsame Trompete (die in dieser Aufführung von den Gängen außerhalb aus verschiedenen Richtungen zu vernehmen ist) mehrmals ein fragendes Motiv, auf das ein vom unbeeinflußt weiterspielenden Streichquartett räumlich und rhythmisch völlig separiert agierendes Flötenquartett diffus und immer aufgeregter reagiert ohne die Trompetenfrage auch nur irgendwie zu beantworten".

Nach einer Träume zwischen Morgen und Mitternacht" verarbeitenden Auseinandersetzung zwischen Klavier und Streichquartett des in Graz lehrenden Bernhard Lang (geb. 1957), war ein Dialog für Baßflöte und ein vom Komponisten Volker Staub (geb. 1961) selbst gebautes, Naturklänge erzeugendes Schlagwerk, unter anderem aus präparierten Steinen, Fellen, einer Eisenblechplatte bestehend, besonders reizvoll. In der Pause konnte man ein Soloflötenstück von Bernd Alois Zimmermann, im Treppenhaus gespielt von Camilla Hoitenga, anhand der an die Wände geklebten Partitur durchgehen". Im zweiten Teil gab's Harrison Birtwistles Guillaume-de-Machaut-Bearbeitung des Hoquetus. David" und eine Uraufführung des maßgeblich an der Programmkonzeption beteiligten, sprachlich wie musikalisch gleichermaßen eloquenten 23-jährigen Christian Utz. Das Ensemble KlangArten" wurde geleitet von Thomas Dézsy.

Heinz Rögl, Salzburger Nachrichten, 21.3.1992

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